Wenn der Kran um die Ecke funkt
von Andreas Zimmermann
MRX.KranFunk-System erlaubt sicheres und präzises Lastenhandling selbst bei eingeschränkter Sichtlinie
Ob für den Aufbau von Wohnhäusern, Brücken oder Industrieanlagen: Die Fähigkeit von Kranen, tonnenschwere Lasten präzise zu bewegen, macht sie zum Rückgrat moderner Bauprojekte. Doch das ist in der Realität nicht immer so einfach, denn wenn die Sicht des Kranführers eingeschränkt ist, wird das das Handling der Transportgüter zur Herkulesaufgabe. In solchen Situationen genügt es nicht mehr, allein auf die eigene Einschätzung zu vertrauen. Zwar lassen sich Einweisungen durch einen Signalgeber am Boden mit besserer Sichtposition kommunizieren, doch dies kostet Zeit und erhöht den Personalaufwand. Kran-Kameras wiederum, die über Kabel mit der Kabine verbunden sind, können ausfallen, da die Verbindungen aufgrund der mobilen Laufkatze schnell verschleißen. Baumaschinenhersteller wie Liebherr oder EWJ Baumaschinen setzen deshalb auf den MRX.Kranfunk von AZG Tech. Mithilfe des funkbasierten Übertragungssystems für Baumaschinen aller Art lassen sich Kamerabilder von unterschiedlichen Positionen am Kran unabhängig von der Sichtlinie und den Hindernissen auf einen Touch-Monitor in der Kranführerkabine übertragen. Die Signale sind dabei digital codiert und verschlüsselt, sodass sich mehrere Systeme an unterschiedlichen Kranen weder stören noch beeinflussen können.
Der Kranführer sitzt hoch oben in seiner Kabine, den Zielpunkt für das schwere Transportgut fest im Blick – zumindest in der Theorie. Doch, wie so oft, wird die klare Sicht durch eine Vielzahl von Hindernissen getrübt.
„Das können andere Gebäude oder Gerüste sein, aber auch große Materiallager und Maschinen am Boden. Und zu guter Letzt schränken Wettereinflüsse wie Regen oder starkes Sonnenlicht die Sicht ein. Dann muss sich der Kranführer häufig allein auf seine Erfahrung verlassen und die risikoreiche Situation zielsicher bewerten“, weiß Dipl.-Ing. Andreas Zimmermann, Geschäftsführer der AZG Tech GmbH.
Zwar gibt es in einem solchen Fall verschiedene Lösungen, die jedoch ihre eigenen Nachteile mit sich bringen: Die Einweisung durch Bodenpersonal erfordert zusätzlichen Personaleinsatz und birgt das Risiko von Missverständnissen, während Spiegel nur begrenzte Sichtverbesserungen bieten. Verkabelte Kamerasysteme wiederum verschleißen schnell, da die Leitungen durch die ständige Bewegung stark belastet werden und eine regelmäßige Wartung erforderlich ist. „Diese Maßnahmen erhöhen den Aufwand und die Kosten, was letztendlich die Betriebseffizienz beeinträchtigt“, erklärt Zimmermann.
Repeater am Knickpunkt verhindern Signalstörung durch Hindernisse
Diese Einschränkungen treten beim MRX.KranFunk-System gar nicht erst auf. Es besteht aus einer Kamera sowie einem Sender, der die Bilddaten umwandelt, verschlüsselt und schließlich an einen Empfänger in der Kabine schickt, der diese als Echtzeitbild auf einen Monitor überträgt. „Da Funkverbindungen naturgemäß schwanken oder durch Hindernisse gestört werden können, nutzen wir Repeater, die strategisch am Knickpunkt des Krans gesetzt werden. Dadurch wird das Signal quasi um das Hindernis herumgeleitet, anstatt auf die sonst übliche Sichtlinie zwischen Sender und Empfänger angewiesen zu sein“, beschreibt Zimmermann. Die Einsatzmöglichkeiten sind dabei vielfältig, denn die breiten Abstrahlwinkel der Sendetechnik von AZG Tech erlauben die Unterstützung aller Einsatzbereiche und Neigungswinkel der beiden Kranarme. Die Reichweite jeder Funkstrecke beträgt dabei etwa 200 Meter. Sollten dennoch größere Distanzen zwischen Sender und Empfänger auftreten, so kann auch hier ein Repeater eingesetzt werden.
Um eine stabile Funkverbindung unabhängig von der Anzahl eingesetzter Baumaschinen, der Witterung oder der Architektur im Umfeld der Baustelle zu gewährleisten, nutzt der Hersteller die eigens entwickelte AZG.mesh Technologie. Sie ermöglicht die Verbindung mehrere Knoten in einem Netzwerk. „Dies erlaubt es, Daten über mehrere Stationen zu übertragen, sodass sich Redundanzen ergeben und mögliche Funkschatten überwunden werden“, so Zimmermann. Die leistungsstarken Knoten übertragen die Videodaten mit sehr geringer Latenz und gewähren damit stets ein aktuelles Videobild in der Führerkabine. Um Störungen auszuschließen steht dem Kranführer zudem die Möglichkeit zur Frequenzänderung zur Verfügung. Dabei erhält er unmittelbares Feedback auf dem Monitor, falls eine Leistungsschwäche im Signal auftritt und kann mit einer Berührung auf die zweite Frequenz wechseln.
Schnelle Entscheidungen treffen mit Echtzeit-Videodaten
Die Echtzeit-Videodaten direkt in der Kabine erlauben es dem Kranführer, Entscheidungen schnell und fundiert zu treffen. Dies reduziert das Risiko von Unfällen und Fehlern erheblich. Mithilfe des Touch-Monitors kann der Kranführer bequem und intuitiv mit dem System interagieren und neben der obligatorischen Feineinstellung mit einer einfachen Wischbewegung zwischen den Kamerafeeds sämtlicher am Kran befindlicher Kameras wechseln. Ähnlich wie beim Smartphone lässt sich mit simplen Fingerbewegungen stufenlos hinein- und hinauszoomen, um beispielsweise präziseres Absetzen der Lasten zu ermöglichen. Zudem steht ein Anlernmodus bereit, der Kranführern den Einstieg erleichtert, sollten diese erstmals auf ein Kamerasystem umsteigen.
Das ausgeklügelte System hat sich bereits in der Praxis bewährt und viele Baumaschinenhersteller statten ihre einzelnen Serien oder die gesamte Hebeflotte mit der Funktechnik aus, nicht zuletzt aufgrund der hohen Flexibilität des modularen Systems. So bietet der renommierte Hersteller Liebherr die Technik bei allen seinen Mobilbaukranen mit an. „Obwohl es eine Option ist, wählen es seit Jahren nahezu 100 Prozent der Kunden dazu. Es wird immer dann genutzt, wenn ein Kran aus der Oberwagenkabine des Krans gesteuert wird“, erklärt Ronald Haid, Electrical Design Engineer Crane Electronics bei Liebherr. Besonders positiv wird hervorgehoben, dass das System auch das Anschlagen der Komponente am Kranhaken und das Manövrieren des Hakens erleichtert.
Auch für die EWJ Baumaschinen GmbH ist die Funktechnik eine ideale Ergänzung für ihre gesamte Flotte: „MRX.KranFunk wird von uns seit 2023 auf allen Arten von Kränen verbaut – Turmkräne, Mobilkräne, Faltkräne und Hafenkräne. Haben diese ab Werk kein Kamerasystem, ergänzen wir die Modelle mit der Technik, um die Sicherheit zu erhöhen und das einfachere und schnellere Arbeiten auf der Baustelle zu ermöglichen. Und die Kunden sind sehr zufrieden“, berichtet Manfred Vogger, Verkauf und Service bei EWJ Baumaschinen. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass der Alltag auf der Baustelle mit dem MRX.KranFunk-System sicherer und effizienter gestaltet werden kann. Denn die Kranführer erhalten die Unterstützung, die sie in kritischen Momenten dringend benötigen.
Veröffentlicht in der "Allgemeine Bauzeitung" in der Ausgabe 44/2024.